Eine Sporthalle voll Fantasie

Sächsische Zeitung

Sächsische Zeitung vom 12.11.2018
Ein Beitrag von Tom Vörös über das Konzert Klaus Doldinger, Passport & »medicanti«

Eine Sporthalle voll Fantasie

Von Tom Vörös

Der Novembernebel gehört ja eigentlich an die frische Luft. Aber am Sonnabend war er augenscheinlich in die Ballsportarena gekrochen und hatte sich auf den oberen Rängen breitgemacht. Was nicht unpassend schien, denn viele Konzertbesucher wollten mit dem Konzert von Klaus Doldinger bei den Jazztagen Dresden einen musikalischen Schleier der Vergangenheit vorziehen und musikalische Historie erleben. Verkörpert von Klaus Doldinger, dessen leicht wackliger Eindruck beim Betreten der Bühne zunächst tief durchatmen ließ. Doch als der 82-Jährige sein Saxofon ansetzte, waren alle Bedenken und Gedankennebel wie weggeblasen. Einmal in seiner jazzigen Klangwelt, hüpft und spurtet der Mann so jugendlich umher wie seine Mitmusiker der Band Passport.

Scherze übers Alter

„Es ist schon etwas Besonderes, mit einem Orchester zu arbeiten, das zu großen Teilen aus Ärzten besteht“, sagte Doldinger in Bezug auf das Dresdner Sinfonieorchester medicanti. „Da kommt man auf Gedanken. Und man fühlt sich der Gesundheit nahe.“ Überhaupt kokettierte Doldinger sympathisch mit seinem gereiften Zustand, fragte seinen Keyboarder oft nach dem nächsten Lied, schob die Brille hoch und runter.

Doldinger und seine Band Passport – das Orchester medicanti kam erst im zweiten Konzertteil hinzu – beglückten vor allem langjährige Musikfans mit Stücken wie „Ataraxia“ von 1977, einem spannenden Lied im 7/4-Takt, oder mit ein wenig Exotik, einem Stück aus der Südamerika-Zeit der Band. Passport verteidigten ihren Weltruf selbst in der etwas schwierigen Akustik der Sporthalle bravourös.

Doldingers Mischung aus musikalischer Perfektion und Allzumenschlichem sorgte für Stimmung. „Mir ist gerade etwas passiert, das mir noch nie passiert ist: Ich musste während eines Konzertes niesen“, sagte er sichtlich erfreut. „Wenn man heute so die Nachrichten verfolgt, dann bringt einen so etwas zurück ins eigene Leben.“

Unendliche Erfolgsgeschichte

Äußerst belebt ging es auch nach der Pause mit Verstärkung des Orchesters medicanti auf der Bühne weiter. Das Ensemble und die Band präsentierten nun diverse Klassiker der Populärmusik, mit der Doldinger als Komponist vor allem in den 80er-Jahren höchst erfolgreich war. Zur live gespielten Tatort-Titelmelodie aus Doldingers Feder stieg auch die Spannung im Publikum auf den angekündigten Überraschungsgast des Abends: Cornelia Gröschel, die neue Dresdner Tatort-Kommissarin, sang zunächst „Lieblingsmensch“, ein Cover von Namika, bevor sie ihrem glamourösen Blumenkleid gemeinsam mit Gast-Saxofonist Günther Fischer und dem Titellied des DDR-Kultfilms „Solo Sunny“ auch stimmlich voll gerecht wurde. Einzig eine Prise Routine fehlte noch.

Emotionsgeladen ging es ins Finale. Während „Das Boot“ wahre Beklemmungen auslöste und bewegte Kinobilder im Kopf dazu flimmerten, folgte mit der Filmmusik von „Die unendliche Geschichte“ der harmonische Höhepunkt. Für Doldingers Fantasie in Höchstform gab es euphorischen Beifall. Das Publikum war längst bereit fürs kollektive Mitsingen selbst komplexer jazziger Tonfolgen der Band.

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